28. August 1941 – Deportation der Wolgadeutschen

Am Nachmittag des 28. August 2021 fand aus diesem Anlass auf dem Parkfriedhof Marzahn eine Gedenkfeier statt. Eingeladen hatten u.a. Lyra Marzahn e.V. und die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland.

Nachdem Nazideutschland trotz Nichtangriffspaktes zwischen Hitler und Stalin die Sowjetunion überfiel, wurde die deutsche Bevölkerung zum „inneren Feind“ erklärt und per Dekret nach Sibirien und Kasachstan vertrieben. Unermessliches Leid wurde den Menschen zugefügt. Sie verloren über Nacht ihre Heimat, mussten sich in fremder unwirtlicher Gegend ansiedeln und schon auf dem Weg dorthin kamen viele Menschen um. Viele Familien wurden auseinandergerissen.

Die Deutschen waren unter Katharina der Großen angelockt und angesiedelt worden. Sie bevölkerten die kaum bewohnte Wolgaregion und machten sie urbar. Etwa 200 Jahre lang hatten sie ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Traditionen bewahrt.

Nun also jährte sich zum 80. Male die Vertreibung der Deutschen aus ihren Siedlungen. Während der etwa eineinhalb stündigen Festveranstaltung sprach auch unser Mitglied Ernst-Gottfried Buntrock und mahnte zum Miteinander:

Liebe russlanddeutsche und russische Mitbürger,

Liebe deutsche Mitbürger, wo immer ihr herkommt;

– soweit ihr Christen seid: Liebe Schwestern und Brüder! 

Sehr geehrte Damen und Herren!       

Erlauben Sie mir, bitte, zuerst ein paar biografische Notizen, die mein Interesse begründen, warum es mich immer wieder am 28. August hierher zieht.

Ich wurde 1934 als Jüngster von fünf Söhnen in Oranienburg geboren. Mit fünf Jahren erlebte ich den ersten Kriegstag – nun gab es keine Bananen und Apfelsinen mehr  –  die Engländer wollten unsere Schiffe nicht mehr durchlassen… Mit 7 Jahren erlebte ich den Angriff auf die Sowjetunion – nun gab es neue, spannende Berichte über unsere siegreichen Truppen auf dem Marsch nach Moskau und über den Ural…

1942 waren meine drei großen Brüder – 16, 14 und 12 Jahre alt – im Arbeitsdienst, als Luftwaffenhelfer bzw. in einer „luftangriffssicheren“ Gegend bei Verwandten…

In unsere Rest-Familie kam als Haushilfe eine „Ostarbeiterin“, eine junge Frau (etwa 20 Jahre) aus der Ukraine. Sie wurde mir „große Schwester“ und „junge“ Mutter. Ihr verdanke ich die ersten Worte der russischen Sprache.

Die Befreiung 1945 erlebte ich zunächst als Raketenbeschuss mit 4 Einschlägen in unser Grundstück – davon 1 Rakete (Katjuscha) über uns im Dach…

Dass aus dem kleinen Nazi, der ich war, kein großer Nazi wurde, verdanke ich der Roten Armee und ihren Alliierten.

An diesem schrecklichen Gedenktag grüße ich Sie und euch im Namen vieler Mitbürger und Mitchristen aus unserem Bezirk. Wir sind dankbar, dass ihr zu uns gekommen seid und dass viele von euch unseren Bezirk als neue Heimat angenommen haben. Ihr habt unseren Bezirk und die christlichen Gemeinden unseres Bezirkes gestärkt.

Die Wunden, die euch und euren Vorfahren zugefügt wurden, sind vielleicht verheilt – aber die Narben bleiben und schmerzen.         In eurer und eurer Vorfahren Heimat an der Wolga und in Sibirien, in Georgien und in der Ukraine gibt es heutzutage viele Probleme, die euch und uns nicht kalt lassen.

Ich bitte euch, lasst uns daran teilnehmen!

Keiner von uns weiss die Lösung dieser Probleme!

Lasst euch, bitte, nicht in Fronten eingliedern

 

WIR, die Richtigen gegen DIE, die ANDEREN!

In meiner Ratlosigkeit weiß ich nur eins:

Слушать,  молчать, плакать – и для верующих – молиться!

Zuhören, schweigen, weinen – und für Glaubende – beten!

Ich danke Ihnen!

Благодарю Вас!

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